Wohnraumnachfrage

07.03.2024 | Lexikon

Wohnungsbedarfsprognose

Wohnraum ist ein langfristiges Konsumgut. Da stellt sich die Frage, wie weit in die Zukunft Wohnraumversorgungspläne reichen können. Da die Planungshoheit bei den Gemeinden liegt, setzt sich die Gesamtplanung national aus einer riesigen Anzahl von Einzelplanungen zusammen. Erforderlich sind deshalb Instanzen, die den Gemeinden auf der Grundlage von Landesentwicklungs- und Regionalplänen die Orientierungshilfen geben.

Die Entwicklung und politische Steuerung der Nachfrage nach Wohnraum ist problematisch, zumal die Wanderbewegungen und die natürliche Bevölkerungesentwicklung bei der Wohnungsbedarfsprognose in die Betrachtung mit einbezogen werden sollen und die Siedlungsaktivitäten nicht nach einheitlichen Schemata ablaufen, sondern eher unterschiedliche Gemeindeinteressen im Vordergrund stehen.

Auch die für den Wohnungsbau zuständigen Akteure (Bauträger, Wohnungsunternehmen, private Bauherren) haben unterschiedliche Investitionshorizonte. Der Entscheidungshorizont eines Bauträgers liegt bei etwa vier Jahren. Seine Entscheidungsgrundlage ist die jeweils aktuelle Marktlage. Ähnlich geht es Immobilienentwicklern, die allerdings wegen der zu ihrem Aufgabenbereich gehörenden Verwertungsanalysen längerfristig denken müssen. Langfristige Perspektiven sind für das Handeln der Hauseigentümer, der Objektmanager und der Verwalter ausschlaggebend. Sie wollen ja auch noch in zehn Jahren im Geschäft bleiben.

Bei einer Lebensdauer von Wohngebäuden von 80 bis 100 Jahren bietet ein Wohnhaus ein Zuhause für vier bis fünf 5 Wohngenerationen. Alle 20 bis 25 Jahre sind größere Investitionsentscheidungen zu reffen. Am Ende der Kette steht der Rückbau bzw. das Redevelopment oder die Revitalisierungsentscheidung.

Determinanten der Wohnraumnachfrage

Die langfristige Entwicklung der Wohnungsnachfrage hängt von einer Reihe von Determinanten (Bestimmungsgründen) ab. Hierzu gehören die natürliche Bevölkerungsbewegung sowie die Wanderungsbewegung. Zur natürlichen Bevölkerungsbewegung zählen

  • die Bilanz zwischen Geburten und Todesfällen,
  • die Entwicklung der Lebenserwartung,
  • die Entwicklung der Eheschließungen und Scheidungen bzw. der Lebenspartnerschaften,
  • die Entwicklung der Nettoreproduktionsrate der Bevölkerung sowie
  • die Entwicklung der Haushalte als Nachfrageeinheiten.

Hinsichtlich der Bilanz zwischen Geburten und Todesfällen ist für Deutschland eine Abnahme der Geburten, aber auch eine (geringere Abnahme) der Todesfälle zu verzeichnen. Die Zahl der Geburten betrug 2011 663.000, die Zahl der Todesfälle 852.000. Allerdings hat nicht jede Geburt eine Nachfrage nach größerem Wohnraum zur Folge. Die steigende Lebenserwartung führt auch nicht zu einer Wohnraumnachfrage, da in vielen Fällen nicht die Wohnung, sondern ein Altenheim, eine Seniorenresidenz oder ein Pflegeheim einer Wohnung vorgezogen wird.

Während die Zahl der Eheschließungen in den letzten zehn Jahren geringfügig abnahm (um ca. 1,3 Prozent), stieg die Zahl der Ehescheidungen beachtlich (ca. 12,3 Prozent). Daraus ergibt sich, dass die scheidungsbedingte Wohnraumnachfrage nicht unerheblich ins Gewicht fällt. Hinzu kommen die statistisch nicht erfassten Fälle von getrennt lebenden Ehepartnern.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Lebenserwartung kontinuierlich steigt. Die Zahl der Eheschließungen nimmt tendenziell ab.

Bei der Wanderungsbewegung spielen unterschiedliche Ursachen eine Rolle, nämlich

  • Zuwanderungen von Asylbewerbern,
  • Aus- und Einwanderungen (vor allem beruflich bedingte),
  • Wanderungen zwischen den Bundesländern,
  • Entwicklung der Haushaltgrößen.

Nach dem Asylbewerber-Gesetz steht den Asylbewerbern eine sogenannte Regelleistung zu. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vom Juli 2012 die an Asylbewerbern zu zahlenden Unterhaltsleistungen denen von Arbeitslosengeld-II-Empfängern faktisch gleichgestellt. Das bedeutet, dass Asylbewerber einen entsprechenden Anspruch auf Wohnraum haben. Die Aus- und Einwanderungen sind häufig berufsbedingt. Der Wanderungssaldo ist in den letzten zehn Jahren überwiegend positiv. Im Schnitt betrug er jährlich 92.849. Bei den Bundeländern steht Berlin an der Spitze der Wanderungsgewinnler, gefolgt von Bayern und Schleswig Holstein. Der größte Verlierer ist Nordrhein-Westfalen. Die Bevölkerungszahl Deutschlands ist erstmals seit 2002 durch Zuwanderungen im Jahr 2011 wieder gestiegen.