Ordoliberalismus

06.03.2024 | Lexikon

Der Blick auf die Wirtschaft wurde im 19. Jahrhundert vielfach noch durch altliberale Vorstellungen bestimmt, deren Ausgangspunkt die Lehre des Schottischen Moral-Philosophen Adam Smith war, wonach der durch Eigeninteresse gesteuerte Markt verbunden mit Arbeitsteilung zum Wohlstand der Nationen führe. Der Staat sollte nicht versuchen die „unsichtbare Hand“ zu korrigieren. Die Gedanken von Smith fanden ein breites Echo. Das 19. Jahrhundert war ein Jahrhundert großer Unternehmer, aber auch ein Jahrhundert des Entstehens großer monopolartiger Strukturen. Es entstand eine Klassengesellschaft, die Arbeiterbewegung entstand. Sozialistische Ideen zu einer vom Staat gelenkten Wirtschaft stellten den Markt insgesamt in Frage. Arbeiter-Parteien entstanden. Sie führten in Russland 1917 zur Oktober-Revolution und dem Entstehen der Sowjetunion. In Deutschland gewann die Nationalsozialistische Arbeiter-Partei die Oberhand, was geradewegs in die Katastrophe führte. Von freien Märkten war nichts mehr übrig geblieben.

In dieser Situation entstand – Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts – in Freiburg im Breisgau das, was heute unter „Freiburger Schule“ bekannt wurde: Ein ordoliberales Wirtschaftskonzept. Federführend war Walter Eucken. Im Gegensatz zu den altliberalen Vorstellungen eines schrankenlosen Wettbewerbs, der letztlich zur Weltwirtschaftskrise von 1929 geführt hat.

Die Erkenntnis, dass sich eine funktionierende Wettbewerbswirtschaft nicht aus sich heraus entwickeln kann, führte zur Formulierung von Erkenntnissen, die Richtschnur politischen Handelns sein sollten. Grundprinzip war die Forderung nach einer aktiven staatlichen Wettbewerbspolitik ohne Marktzugangs-Beschränkungen mit dem Ziel der Herstellung eines funktionierenden Preis-Systems.

Im Vordergrund stand das Primat der Währungspolitik, dem mit der gelungenen Währungsreform 1948 (der Einführung der Deutschen Mark durch Ludwig Erhard) gegen alle Skepsis auch der damaligen westlichen Besatzungsmächte Rechnung getragen wurde. Jeder Bürger bekam damals ein „Startkapital“ von 40 DM.

Weitere wichtige Ordnungsprinzipen waren das Prinzip der offenen Märkte (Abbau aller Handelsschranken), das ebenfalls verwirklicht wurde, die Garantie des Privateigentums, die Vertragsfreiheit, das Haftungsprinzip, wonach jeder die Verantwortung für sein wirtschaftliches Handeln tragen muss und schließlich die Konstanz der Wirtschaftspolitik und damit die Schaffung politischen Vertrauens.

Ergänzt wurden die Ordnungsprinzipien durch regulierende Prinzipien, hier vor allem das Kartellverbot, das vor allem durch Franz Böhm von der Freiburger Schule im Bundestag mit Verabschiedung des Kartellgesetzes durchgesetzt wurde. Aber auch ein progressiver Einkommensteuer-Tarif und die Festsetzung von Minimallöhnen, die zur Aufrechterhaltung eines angemessenen Lebensstandards erforderlich sind, gehören zu den regulierenden Prinzipien der Freiburger Schule. Wirtschaftspolitische Anstrengungen sollten auch unternommen werden, um die Internalisierung negativer externer Effekte zu ermöglichen. Schäden sollten nach dem Verursacherprinzip jenen zugerechnet werden, deren Handlungen solche Effekte erzeugen.

Einige Anhänger der Ordoliberalen (Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow) haben sich auch zur Abgrenzung gegenüber den Altliberalen als neoliberal bezeichnet. Ein Begriff, der heute von Geschichtsagnostikern in einem völlig anderen Zusammenhang ideologisch verwendet wird.

Der von Wolfram Engels 1982 mit ins Leben gerufene evangelische „Kronberger Kreis“ hat sich in der Tradition der Freiburger Schule zum Ziel gesetzt, das „Ausufern staatlicher Bevormundung“ zu verringern und einen Beitrag zur „Weiterentwicklung einer freiheitlichen Ordnung in Deutschland und Europa zu leisten“. Er ist heute noch eine Institution, die ordoliberales Gedankengut in den Vordergrund ihrer Veröffentlichungen und Aktivitäten stellt und deren Devise lautet: „Mehr Mut zum Markt.“