Nach einem Erbfall kommt es oft vor, dass dringende Nachlassangelegenheiten zu klären sind, bevor der oder die Erben die Verantwortung für den Nachlass übernehmen. In einigen Fällen müssen die Erben zunächst ermittelt werden, oder es steht ein Rechtsstreit um den Nachlass an, etwa wegen der Anfechtung eines Testaments. Oft umfasst der Nachlass auch Verbindlichkeiten, und die Möglichkeit einer Erbausschlagung muss geprüft werden. Trotzdem sind jedoch auch in diesem Zeitraum oft Nachlassangelegenheiten zu klären – etwa die Bezahlung von Rechnungen, die Beendigung von Vertragsverhältnissen und Daueraufträgen oder Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit einer Immobilie (z.B. Bezahlung von Betriebskosten, Durchführung notwendiger Handwerkerarbeiten, Abschluss und Beendigung von Mietverhältnissen). Oft kann der Nachlass in seinem Bestand gefährdet sein, wenn keine sofortigen Schritte unternommen werden.
Banken, Versicherungen und Behörden verlangen den Nachweis der Erbberechtigung, bevor sie jemandem Verfügungsmöglichkeiten über Nachlassgegenstände oder Konten einräumen. Dies kann ein Erbschein sein oder in bestimmten Fällen auch ein Testament oder Erbvertrag mit Eröffnungsvermerk durch das Nachlassgericht. In den oben geschilderten Situationen gibt es jedoch solche Unterlagen noch nicht. Das Nachlassgericht ist gesetzlich verpflichtet, bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht (§ 1960 BGB). Dies gilt auch, wenn der Erbe unbekannt ist oder nicht sicher ist, ob die Erbschaft angenommen wurde. Das Nachlassgericht kann die Hinterlegung von Geld oder Wertgegenständen anordnen, Siegel an Wohnungstüren anbringen lassen oder einen Nachlasspfleger bestellen, der alle notwenigen Schritte einleitet. Oft werden Rechtsanwälte bestellt.
Welche Aufgaben der Nachlasspfleger hat, richtet sich nach den Notwendigkeiten des Einzelfalles. Grundsätzlich hat er den Bestand des Nachlasses zunächst einmal zu sichten, ihn dann zu sichern, ihn wenn erforderlich zu verwalten und ggf. die Erben zu suchen. Auch die Organisation der Beerdigung, die Auflösung der Wohnung und die Verwertung des Hausrats sowie die Erstellung einre Erbschaftsteuererklärung können zu den Aufgaben eines Nachlasspflegers gehören. Seine Bezahlung wird vom Nachlassgericht festgesetzt.
Anzuwenden ist das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG), von dessen Stundensätzen jedoch abgewichen werden kann. Möglich sind Stundensätze, aber auch Pauschalen oder prozentuale Anteile am Nachlass. Wird die Nachlasspflegschaft ehrenamtlich durchgeführt, kann nur ein Aufwendungsersatz verlangt werden. Bei einem werthaltigen Nachlass ist die Vergütung aus dem Nachlass zu bezahlen. Ist der Nachlass überschuldet oder nur von geringem Wert, übernimmt die Staatskasse die Kosten. Die Nachlasspflegschaft endet, wenn das Gericht dies entscheidet. Der Nachlasspfleger ist dem Nachlassgericht gegenüber verantwortlich und hat einen Rechenschaftsbericht abzugeben.
Im Rahmen der Ermittlung von Erben muss der Nachlasspfleger das leisten, was erforderlich und ihm zumutbar ist. Zumutbar ist es ihm meist, bei Standesämtern um nähere Auskünfte hinsichtlich Ehepartnern und Nachkommen des Erblassers nachzufragen. Unterlässt der Nachlasspfleger dies und beauftragt er sofort einen professionellen Erbenermittler, der 25 Prozent vom Nachlass als Honorar verlangt, kann sich der Nachlasspfleger gegenüber den Erben schadenersatzpflichtig machen (Landgericht Berlin, Urteil vom 23.10.2011, Az. 23 O 613/10). Für etwaige Ansprüche sind jedoch die Umstände des Einzelfalles entscheidend, zum Beispiel der Schwierigkeitsgrad der Ermittlungen. Der Einsatz professioneller Erbenermittler ist nicht grundsätzlich unzulässig.
Eine Nachlasspflegschaft kann auch auf Antrag eines Gläubigers angeordnet werden, der Ansprüche gegen den Nachlass geltend machen will. Dies kann zum Beispiel ein Vermieter sein, der Mietschulden einfordern will, wenn die Erben des Mieters nicht auffindbar sind oder das Erbe noch nicht angenommen haben. Rechtsgrundlage dafür ist § 1961 BGB. Ein solcher Antrag setzt nach neuerer Rechtsprechung nicht voraus, dass der Nachlass besondere zu sichernde Werte enthält (OLG Zweibrücken, Az. 8 W 49/15). Oft geht es dem Vermieter in solchen Fällen auch eher darum, mit dem Nachlasspfleger eine Person zu haben, gegenüber der der Mietvertrag gekündigt und die Räumung durchgesetzt werden kann.