Gewöhnlicher Geschäftsverkehr (Wertermittlung)

06.03.2024 | Lexikon

Der Verkehrswert eines Grundstücks ist nach der Verkehrswertdefinition des § 194 BauGB aus Preisen abzuleiten, die sich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gebildet haben. Den gewöhnlichen Geschäftsverkehr kennzeichnen insbesondere folgende Kriterien:

1. die Offenheit des Marktes (der Marktzugang darf nicht durch Vorschriften oder Eingriffe beschränkt sein),

2. die Freiheit der Marktteilnehmer, sich für oder gegen eine Grundstückstransaktion entscheiden zu können (sie dürfen nicht unter einem zeitlichen oder wirtschaftlichen Druck oder gar einem rechtlichen Zwang bei ihrer Entscheidung stehen),

3. die Möglichkeit, sich Zugang zu Informationsquellen zu verschaffen, die für die Rationalisierung einer Entscheidung erforderlich sind.

Der Verkehrswert ist identisch mit dem Begriff Marktwert.
Ein gewöhnlicher Geschäftsverkehr in diesem Sinne wird auch bei der Ermittlung des „Market Value“ unterstellt. Vorausgesetzt werden hier explizit – was selbstverständlich ist – das Vorhandensein von Marktparteien in Form mindestens eines kaufwilligen Käufers und eines verkaufswilligen Verkäufers, die mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handeln.

Der gewöhnliche Geschäftsverkehr ist konkret durch bestimmte Phänomene gekennzeichnet. Auf der Anbieterseite erfolgt der Markzugang durch ein offenes oder chiffriertes Anbieten der Objekte in Zeitungen und anderen „Werbeträgern“ oder in Informationsmedien wie dem Internet, durch Einschaltung von Maklern zur Interessentensuche oder einer sonstigen gezielten Teilnahme am Geschäftsverkehr. Ähnlich verhalten sich im „gewöhnlichen Geschäftsverkehr“ die „Interessenten“.

Bei Bestandsimmobilien wird die Grundentscheidung der Interessenten in erster Linie vom Ergebnis einer oder mehrerer durchgeführter Objektbesichtigungen abhängig gemacht. Pläne und Exposés werden unterstützend eingesetzt. Die endgültige Entscheidung kommt schließlich in aller Regel nach einem Prozess des Aushandelns der Erwerbsbedingungen zustande. Am Ende wird entweder von einem Kauf Abstand genommen oder das Objekt wird „gekauft wie besichtigt“.
Ähnlich verhält es sich bei Bauträgerangeboten. Auch hier wird zuerst eine Besichtigung – wenn auch nur der Baustelle und Lage – durchgeführt. Eine größere Bedeutung haben Baubeschreibungen mit den darin eingeräumten Möglichkeiten, Sonderwünsche geltend machen zu können. Allerdings kalkulieren Bauträger – anders als die Anbieter von Bestandsimmobilien – „Festpreise“, von denen sie glauben, dass sie sie am Markt durchsetzen können. Nur in Ausnahmefällen stehen diese Preise zur Verhandlungsdisposition.

Bei offenen Immobilienfonds als Nachfrager nach Objekten wird die Objektbesichtigung in der Regel auf Sachverständige delegiert, die eine Bewertung des Objektes vornehmen, bevor die Ankaufsentscheidung getroffen wird.

Während der Verkehrswert bzw. der Marktwert durch den „Preis“ bestimmt wird, der im Verkaufsfall zu erzielen wäre, prädestiniert im Immobilienverkehr zwischen institutionellen Anlagern wie offenen Immobilienfonds in gewissem Umfange der von den Sachverständigen geschätzte Wert den Preis. Institutionelle Anleger benötigen zur Absicherung ihrer Entscheidung Verkehrswertgutachten. Damit wird „der Preis durch den Wert bestimmt“.

In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass Kaufvertragsabschlüsse am Immobilienmarkt, bei denen Interessenten ihre Kaufentscheidung weder auf der Grundlage von Objektbesichtigungen noch auf der Grundlage eingehender Objektinformationen treffen, nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr zuzurechnen sind (Beispiel: Erwerb von „Steuervorteilen“ mit Hilfe eines Immobilienprojektes, was früher häufig der Fall war).