Kommt es im Zuge von Bauarbeiten – auch solchen am Nachbargrundstück – zu einem Gebäudeeinsturz, ist bei der rechtlichen Aufarbeitung zwischen dem strafrechtlichen Aspekt und der zivilrechtlichen Haftung zu unterscheiden. Schwierig gestaltet sich in Fällen wie dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 die Ermittlung der Schadensursachen.
Erst nach acht Jahren lag in Köln ein Gutachten vor, das als Schadensursache eine unsachgemäß ausgeführte Schlitzwand in der nahen U-Bahn-Baustelle nannte. Ende Mai 2017 wurde gegen sieben Personen Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung erhoben. Bei den Untersuchungen zur Schadensursache kamen diverse Spezialunternehmen und 14 Gutachter zum Einsatz, die Kosten lagen bei etlichen Millionen Euro. Einer der Gründe für die Schwierigkeiten bei der Ursachenfindung ist bei allen Schäden an größeren Bauprojekten die Vielzahl der Beteiligten, deren Arbeitsbeiträge voneinander abhängen und die teilweise gleichzeitig auf der Baustelle tätig sind (Bauherr, Architekt, Bauunternehmer, Subunternehmer, Handwerker verschiedenster Gewerke und so weiter).
Zur strafrechtlichen Seite hat der Bundesgerichtshof am 13.11.2008 im einem Verfahren hinsichtlich fahrlässiger Tötung folgende Hinweise gegeben (Az. 4 StR 252/08):
- Schafft jemand eine Gefahrenquelle, muss er auch die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen durchführen, um andere vor Schäden zu schützen.
- Bei einem Bauvorhaben ist nicht nur der Hauptauftragnehmer, sondern auch der Subunternehmer für in seinem Bereich entstehende Gefahrenquellen verantwortlich.
- Die verkehrssicherungspflichtigen Beteiligten sind gehalten, sich gegenseitig abzustimmen und zu informieren. Wer für eine Gefahrenquelle verantwortlich ist, hat sich auch – in zumutbarem Rahmen – darüber zu unterrichten, ob der Sicherungspflichtige seine Aufgaben tatsächlich erfüllt hat.
Im verhandelten Fall ging es um Sanierungsarbeiten an einem Schulgebäude. Beim Abbruch einer tragenden Wand im Erdgeschoss war das Gebäude unzureichend abgestützt worden, ein Flügel stürzte ein. Fünf Arbeiter wurden getötet, fünf weitere verletzt. Das Landgericht Schwerin verurteilte den verantwortlichen Bauunternehmer wegen vorsätzlicher Baugefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe. Zwei Mitangeklagte, die im Rahmen eines Subunternehmervertrages mit dem Abbruch der Wand befasst waren, wurden freigesprochen. Für die Mitangeklagten sei die Gefahr nicht offensichtlich gewesen. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Urteile.
Ein weiteres Urteil zu dieser Problematik fällte der Bundesgerichtshof im Fall der unter Schneelast eingestürzten Eissporthalle in Bad Reichenhall. Im Jahr 2006 hatten dabei 15 Menschen den Tod gefunden, überwiegend Kinder. Der Diplom-Ingenieur, der als Bausachverständiger ein Gutachen über den Zustand der Halle erstellt hatte, war von der Vorinstanz noch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden. Der BGH hob dieses Urteil auf. Der Ingenieur hatte eine Untersuchung der Dachkonstruktion nicht gründlich genug durchgeführt. Der BGH ging von einer Ursächlichkeit dieses Versäumnisses für die Todesfälle aus. Argument war hier, dass die Stadt bei korrekter Warnung über die Schwächen des Daches eine Nutzung verhindert hätte (Urteil vom 12. Januar 2010, Az. 1 StR 272/09).
„Vertiefung“ des Nachbargrundstücks
Im zivilrechtlichen Bereich existieren spezielle Vorschriften über die Haftung bei einem Gebäudeeinsturz. § 909 BGB, „Vertiefung“, regelt etwa, dass ein Grundstück nicht derartig vertieft werden darf, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert – außer es wird für Abstützung gesorgt. Eine Verletzung dieser Vorschrift führt zu einer Haftung auf Schadensersatz (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 909 BGB).
Schäden durch Einsturz des Nachbarhauses
Nach § 908 BGB gilt: Droht einem Grundstück die Gefahr, dass es durch den Einsturz eines Gebäudes oder anderer mit dem Nachbargrundstück verbundener Bauteile oder durch die Ablösung von Teilen des Nachbargebäudes beschädigt wird, kann der Eigentümer von dem, der nach § 836 Abs. 1 oder §§ 837, 838 BGB für den Schaden verantwortlich wäre, die Durchführung von Sicherheitsvorkehrungen verlangen.
Nach § 836 BGB haftet der Grundstücksbesitzer (im Sinne des Eigenbesitzers, also desjenigen, dem das Grundstück gehört) immer dann, wenn durch den Einsturz seines Gebäudes, von auf seinem Grundstück stehenden Bauwerken oder Bauteilen seines Gebäudes ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Voraussetzung ist, dass das Ereignis die Folge fehlerhafter Errichtung oder Unterhaltung des jeweils ein- oder abgestürzten Objektes war. Hat der Grundbesitzer nachweislich die verkehrsübliche Sorgfalt zur Gefahrenabwehr walten lassen, kommt er um eine Haftung herum.
Auch ein früherer Besitzer haftet für derartige Schäden, wenn der Einsturz innerhalb eines Jahres nach Beendigung seines Besitzes auftritt. Er haftet nicht, wenn er nachweislich die verkehrsübliche Sorgfalt hat walten lassen oder wenn der neue Besitzer durch sorgfältige Sicherheitsmaßnahmen den Vorfall hätte verhindern können.
Nach § 837 BGB trifft den Besitzer eines Gebäudes, das auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück steht, dieselbe Haftung wie den Grundstücksbesitzer in § 836. Nach § 838 BGB trifft diese Haftung auch den, der die Unterhaltung eines Gebäudes übernommen hat.
Gegenüber geschädigten Dritten kommt auch eine Haftung aus dem Deliktsrecht des BGB in Betracht. Bei Beteiligung öffentlich-rechtlicher bzw. kommunaler Institutionen kann es zu einer Amtshaftung kommen (§ 839 BGB).
Bringt eine Baufirma durch unsachgemäßes Handeln das zu errichtende Gebäude zum Einsturz, haftet sie zivilrechtlich natürlich auch dem Bauherrn auf Schadensersatz. Auch Planungsfehler des Architekten oder falsche Statikberechnungen des Statikers können zu einer Haftung dieser Personen führen – sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber dem Bauherrn.