Gaspreiserhöhung / Strompreiserhöhung

07.03.2024 | Lexikon

Die erheblichen Erhöhungen von Gas- und Strompreisen sind in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten und auch juristisch angegriffen worden.

Im September 2010 entschied das Bundesverfassungsgericht zugunsten der Gaskunden. In dem Urteil wurde bestätigt, dass Preisanpassungsklauseln (auch: Gleitklauseln) in den Lieferverträgen gerichtlich überprüft werden dürften. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes, in dem dieser eine solche Vertragsklausel für ungültig erklärt hatte, habe damit Bestand. In der Entscheidung war es um einen Berliner Gasversorger gegangen, der sich in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die einseitige Anpassung des Gaspreises vorbehalten hatte. Die Preise durften demnach auch dann erhöht werden, wenn sich die Kosten des Gasversorgers nicht erhöht hatten. Der Bundesgerichtshof hatte hier eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher gesehen und die Vertragsklausel für unwirksam erklärt. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte das Urteil des Bundesgerichtshofes (07.09.2010, Az. 1 BvR 2160/09).

Grundsätzlich ist eine Preiserhöhung jedoch auch ohne Preisanpassungsklausel möglich – nach „billigem Ermessen.“ In diesem Fall muss das Versorgungsunternehmen jedoch nachweisen, dass die Preiserhöhung der „Billigkeit“ entspricht, also nicht nur der Gewinnerhöhung des Unternehmens dient. Ein solcher Nachweis erfordert die Offenlegung der Preiskalkulation. Eine gerichtliche Kontrolle der „Billigkeit“ einer solchen Preiserhöhung ist nach dem Bundesgerichtshof bei Strompreisen nicht zulässig, wenn der Anbieter keine Monopolstellung innehat und der Kunde auch anderswo seinen Strom beziehen könnte (BGH WuM 2007, 335).

Auch bei Gaspreisen kann eine Erhöhung aus Billigkeitsgründen nicht gerichtlich angegriffen werden, wenn lediglich erhöhte Kosten des Anbieters an den Verbraucher weiter gegeben werden (BGH WuM 2007, 526).

Ein Widerspruch gegen eine Preiserhöhung ist nur aussichtsreich, wenn er sofort bei Ankündigung der Erhöhung erfolgt und wenn der geforderte Erhöhungsbetrag nicht gezahlt wird. Gezahlt werden sollte in derartigen Fällen der vor der Erhöhung übliche Betrag. Für Mieter ist dies relevant, wenn sie einen direkten Vertrag mit dem Versorgungsunternehmen haben.

Auch Vermieter müssen die Abrechnung des Versorgungsunternehmens prüfen. Wird eine nicht berechtigte, übermäßige Preiserhöhung widerspruchslos hingenommen, kann dies einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot bedeuten.

Der Bundesgerichtshof hat im März 2012 entschieden, dass Verbraucher bei unwirksamen Preisanpassungsklauseln nur dann Rückforderungsansprüche wegen zuviel bezahlten Beträgen geltend machen können, wenn sie innerhalb von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung Widerspruch gegen diese eingelegt haben. Dieses Urteil bezieht sich auf sogenannte Sonderkundenverträge, also Verträge mit Kunden, die nicht im Rahmen der Grundversorgung beliefert werden, sondern einen eigenen Vertrag mit einem Versorgungsunternehmen ihrer Wahl haben (Urteil vom 14.03.2012, Az. VIII ZR 113/11).

Im Fall der sogenannten „Hamburger Gasrebellen“ hatte das OLG Hamburg im Januar 2013 eine Gaspreiserhöhung aufgrund einer unzulässigen Preisänderungsklausel für unwirksam erklärt. Der Energieversorger gab im April 2013 seine Absicht auf, Revision gegen das Urteil einzulegen. Rückzahlungen sind jedoch von der Seite des Unternehmens nicht beabsichtigt, hier muss jeder Kunde für sich Klage einreichen. Aussichtsreich ist ein solches Vorgehen nur, wenn rechtzeitig Widerspruch gegen die Preiserhöhung eingereicht wurde (siehe oben).

Am 28.10.2015 erging ein Urteil des Bundesgerichtshofes zum Thema Preisanpassungsklauseln bei Tarifkunden bzw. Kunden in der Gasgrundversorgung. Dabei ging es um Preisanpassungen von 2004 und 2006, bei denen die Unternehmen lediglich eigene Kostensteigerungen an die Kunden weitergegeben hatten. Der BGH hatte zuvor den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Dieser erklärte, dass die deutsche Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nicht im Einklang mit EU-Regelungen sei. Denn der Kunde müsse, um im Falle von Preiserhöhungen den Liefervertrag kündigen zu können, rechtzeitig vor dem Inkrafttreten einer Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden (Urteil des EuGH vom 23. Oktober 2014, Rs. C-359/11 und C-400/11). Dementsprechend erklärte auch der Bundesgerichtshof, dass eine einseitige Preisanpassung aufgrund dieser Regelung nicht stattfinden könne.

Allerdings bestehe damit eine Lücke in den Verträgen, die im Wege einer „ergänzenden Vertragsauslegung“ zu füllen sei. Es sei vorauszusetzen, dass die Vertragspartner vereinbart hätten, dass der Versorger reine Kostensteigerungen weitergeben dürfe und Kostensenkungen weitergeben müsse. Die Versorger hätten daher in den beiden verhandelten Fällen Anspruch auf die Erhöhungsbeträge.

Außerdem gilt laut BGH für Preiserhöhungen, die über die Weitergabe von Bezugskostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines zusätzlichen Gewinns dienen, für Tarifkundenverträge wie für Sonderkundenverträge: Bei einem langjährigen Energielieferungsverhältnis kann der Kunde keine Einwände mehr gegen eine Preiserhöhung geltend machen, wenn er diese nicht innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Urteile vom 28. Oktober 2015, Az. VIII ZR 158/11 und VIII ZR 13/12).

In einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren entschied der Bundesgerichtshof außerdem, dass Stromversorger ihre Kunden im Vertrag nicht ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass diese Preiserhöhungen gerichtlich überprüfen können. Denn was im Gesetz (genauer in § 315 Abs. 3 BGB) geregelt sei und ohnehin gelte, müsse nicht noch einmal im Vertrag betont werden (Urteil vom 25. November 2015, Az. VIII ZR 360/14).