Als Baugrundrisiko bezeichnet man das Risiko, dass die Bodenverhältnisse der Baustelle sich in Wahrheit bei Baubeginn anders darstellen, als die Vertragspartner dies bei Unterzeichnung des Bauvertrages angenommen haben. Nach der DIN 4020:2010-12 ist das Baugrundrisiko das Restrisiko, das trotz einer bauherrenseitigen pflichtgemäßen Untersuchung des Bodens gemäß den geltenden Regeln der Technik nicht ausgeschlossen werden konnte.
Solche Abweichungen können z.B. darin bestehen, dass der Bodengrund weniger tragfähig ist als angenommen, Sandschichten vorhanden sind, Findlinge oder Altfundamente im Boden auftauchen, Wasseradern oder Leitungen unerwartet verlaufen. Die Fertigstellung eines Bauwerks kann durch solche Umstände erheblich verzögert, verteuert und erschwert werden. Es stellt sich dann oft die Frage, wer für die Folgekosten haftet, ob z.B. der Bauunternehmer von seiner Leistungspflicht frei wird oder gar Zusatzleistungen abrechnen kann.
Der Baugrund wird meist als vom Auftraggeber/Bauherrn „geliefertes“ Material im Sinne von § 645 Abs.1 BGB und § 4 Abs.3 sowie § 13 Abs.3 VOB/B angesehen.
Nach § 4 Abs. 3 VOB/B gilt: Der Auftragnehmer muss Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung und die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe ggf. dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich mitteilen. Trotzdem bleibt der Auftraggeber für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich. Unterlässt der Bauunternehmer diese Mitteilung, haftet er jedoch ggf. für Mängel, die infolge der vom Bauherrn „gelieferten Stoffe“ – hier also des Bodens – am Bauwerk entstehen (§ 13 Abs. 3 VOB/B). Diese Regelungen gelten nur bei Einbeziehung der VOB/B in den Bauvertrag.
Man unterscheidet ein echtes und ein unechtes Baugrundrisiko. Das unechte Baugrundrisiko verwirklicht sich, wenn einer der Beteiligten seinen Pflichten nicht nachgekommen ist (der Bauherr hat keine Bodenuntersuchung vornehmen lassen, Planer oder Gutachter haben bei der Untersuchung Fehler gemacht, der Bauunternehmer hat die oben erwähnte Bedenkenmitteilung versäumt). Hier haftet in der Regel derjenige, welcher seine Pflichten vernachässigt hat.
Beim echten Baugrundrisiko wurden die erwähnten Pflichten von allen Beteiligten erfüllt, trotzdem hat sich ein Restrisiko verwirklicht. Wer dieses im Endeffekt trägt, kann nicht pauschal gesagt werden: Dies richtet sich nach den gesetzlichen Gefahrtragungsregeln und dem Bauvertrag. Wurde in Letzterem nichts weiter vereinbart, richtet sich die Gefahrtragung nach der Abnahme. Vor der Abnahme haftet der Auftragnehmer, danach der Auftraggeber (§ 644 BGB). Eine Ausnahmeregelung enthält § 645 BGB; nach dieser Vorschrift hat der Auftragnehmer zumindest anteilig Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, wenn sich vor der Abnahme eine Gefahr durch einen Mangel eines vom Auftraggeber gelieferten Stoffes (also auch des Bodens) verwirklicht hat. In Gerichtsverfahren wird jedoch oft versucht, diese Grundregeln auszuhebeln, indem man eine mündliche oder durch schlüssiges Verhalten getroffene Vereinbarung zwischen den Beteiligten herbeikonstruiert, die die Haftungsverhältnisse abändert.