1. Form
Die Anfechtung ist die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Sie bedarf daher nicht der Form des angefochtenen Vertrages, also z. B. nicht der notariellen Beurkundung gemäß § 311b BGB. Anfechtungsrechte sind nach § 119 BGB der Irrtum, sowie nach § 123 BGB arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung. Daraus folgt, dass nur die eigene Willenserklärung angefochten werden kann.
2. Irrtum
2.1 Erklärungsirrtum
Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende sich zwar rechtlich binden, aber eine andere Erklärung abgeben will.
Beispiel: Die Parteien wollen über ein Grundstück keinen Tausch, sondern einen Kaufvertrag abschließen. Wegen der Beurkundung durch den Notar dürfte das kaum praktisch werden.
2.2 Inhaltsirrtum
Ein Inhaltsirrtum, ein so genannter Geschäftsirrtum, ist die praktisch bedeutsamste Form des Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB. Er liegt vor, wenn der Erklärende sich in Inhalt und Tragweite der Erklärung irrt, so dass er sie bei vernünftiger Überlegung nicht abgegeben hätte.
Beispiel: Eine der Parteien will einen Kaufvertrag über das Grundstück mit der Flurbezeichnung A schließen, beurkundet wird aber ein Kaufvertrag über das Nachbargrundstück mit der Flurbezeichnung B. Die Partei kann wegen Inhaltsirrtums anfechten.
Liegt jedoch nur eine falsche Bezeichnung des Grundstücks vor, weil beide Parteien einen Kaufvertrag über das Grundstück A schließen wollen, ist dies unschädlich. Der Kaufvertrag über das Grundstück A ist wirksam.
2.3 Eigenschaftsirrtum
Als Inhaltsirrtum gilt auch der Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB über die wertbildenden Faktoren.
Beispiel: Die Bebauungsfähigkeit des Grundstücks.
Zu den Eigenschaften des Grundstücks gehört dagegen nicht der Wert als solcher. Auch die so genannten mittelbaren Eigenschaften des Grundstücks fallen nicht unter § 119 Abs. 2 BGB.
Beispiel: Die Zahlungsfähigkeit der Mieter.
2.4 Motivirrtum
Der Motivirrtum berechtigt nicht zur Anfechtung. Es handelt sich hier um intern gebliebene falsche Vorstellungen.
Beispiel: Der Kalkulationsirrtum über die Preisgestaltung oder der allgemeine Irrtum über die Rechtsfolgen des Kaufvertrages, etwa den Umfang der Sachmängelhaftung.
Die Anfechtung wegen Irrtums muss nach § 121 BGB unverzüglich, dass heißt ohne schuldhaftes Zögern, nach Kenntniserlangung erklärt werden. Das Anfechtungsrecht erlischt in jedem Fall nach zehn Jahren.
Wer erfolgreich wegen Irrtums angefochten hat, muss dem anderen Teil den Schaden ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut. Das gilt nicht, wenn das Vertrauen auf Fahrlässigkeit beruht.
Achtung: Die Pflicht des Schadensersatzes bei Anfechtung wegen Irrtums wird in der Praxis häufig übersehen.
3. Arglistige Täuschung
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB setzt voraus, dass der Erklärende zur Abgabe einer Willenserklärung, die mit seinem wahren Willen nicht übereinstimmt, durch Täuschung gebracht wurde.
Täuschung ist die Vorspiegelung falscher oder das Verschweigen wahrer Tatsachen trotz bestehender Aufklärungspflicht, wenn hierdurch bei der anderen Partei ein Irrtum erzeugt oder aufrecht erhalten wird. Der Umfang der Aufklärungspflicht ist im Einzelfall festzustellen. Entscheidend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung Aufklärung erwarten darf.
Es besteht keine allgemeine Pflicht zur Offenbarung aller Umstände, die für den Entschluss des anderen Teils von Bedeutung sein können. Ungünstige Eigenschaften des Vertragsgegenstandes müssen nicht ungefragt offengelegt werden.
Die Aufklärungspflicht des Verkäufers besteht bei wichtigen Umständen auch ohne Nachfrage durch den Käufer. Beispiele
- Befall mit Hausbockkäfern,
- Verdacht auf Trocken- und Nassfäule,
- Verwendung von fäulnisbefallenen Hölzern,
- Altlasten,
- Ölkontamination,
- vorherige Nutzung als wilde Müllkippe,
- erhebliche Mängel des Abwasserabflusses.
Die Täuschung muss arglistig sein. Arglist erfordert Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt. Ausreichend ist, dass der Täuschende die Unrichtigkeit seiner Angaben kennt oder für möglich hält und diese noch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehen. Unter den bedingten Vorsatz fallen so genannte Behauptungen „ins Blaue hinein“ (BGH, Beschluss vom 18. April 2013, Az. V ZR 231/12).
4. Widerrechtliche Drohung
Dem Erklärenden wird ein künftiges Übel in Aussicht gestellt, das ihn in eine Zwangslage versetzt. Es genügt jeder Nachteil, sowohl materieller als auch ideeller Art. Es muss beim Bedrohten der Eindruck entstehen, dass der Drohende in der Lage ist, die Drohung wahr zu machen. Widerrechtlich ist die Drohung auch dann, wenn damit ein bestehender Anspruch durchgesetzt werden soll. Dagegen ist eine Klageandrohung zur Durchsetzung eines objektiv unbegründeten Anspruchs in der Regel nicht rechtswidrig.
5. Wirkung der Anfechtung
Die schon erwähnte Wirkung der Anfechtung nach § 142 BGB, nämlich die Nichtigkeit des Vertrages, ergreift nur den angefochtenen Grundstückskaufvertrag. Im deutschen Recht gilt das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Das Verpflichtungsgeschäft, der Kaufvertrag, und das Verfügungsgeschäft, nämlich die Übereignung durch dingliches Rechtsgeschäft gemäß § 873 BGB, sind voneinander unabhängig.
Folge einer erfolgreichen Anfechtung des Grundstückskaufvertrages ist, dass die Auflassung, soweit sie erfolgte, ohne Rechtsgrund, jedoch wirksam ist. Sie muss, etwa durch Rückauflassung, beseitigt werden. Um die unerwünschten Folgen zu vermeiden, können die Parteien des Kaufvertrages diesen mit der Auflassung ausdrücklich zu einer Einheit im Sinne des § 139 BGB zusammenfassen.